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Bundesverfassungsgerichturteil zu Hartz IV-Sanktionen – Herbst 2019

 

Das ganze Hartz-IV-System ist darauf angelegt, dass der Sozialstaat beschlossen hat, gemessen an der Dauer der Nicht-Benutzung von Lohnarbeitern durchs Kapital einen erklecklichen Teil der Erwerbslosen als billigst sich feilzubietende Reserve zu behandeln. Dies den als normale Arbeitskraftreserve der Geschäftswelt Ausgedienten einzubläuen, darauf stellt das ganze Instrumentarium von Eingliederungsvereinbarungen ab: sich von morgens bis abends als williges und billiges Arbeitsmaterial zu bearbeiten und dies strengster Kontrolle durch die Arbeitsvermittler zu unterziehen. Dagegenstehende Interessen oder Widerwilligkeit, sich diesen Gemeinheiten umstandslos oder überhaupt zu beugen, beantwortet der Sozialstaat mit einem Sanktionsregime, mit dem klar gemacht wird, dass nichts als Unterwerfung unter die Bestimmung gilt, als total entwerteter Träger von Arbeitsvermögen geführt zu werden.

Wenn dagegen Gegenstand einer rechtlichen Debatte ist, ob der Staat nach dreimaliger Abmahnung sogar die Arbeitslosenstütze ganz streichen darf (bisherige Regelung: 30 Prozent Kürzung des Regelsatzes bei erstem Verstoß gegen „Mitwirkungspflichten“, bei zweitem Verstoß 60 Prozent Kürzung und darüber hinaus sogar gänzliche Streichung), dann ist nicht kritikwürdig, was der Staat gemäß oben ausgeführter sozialpolitischer Räson von Hartz-IV bezweckt, sondern ob solcherart Sanktionsregime ‚zielführend‘ sei, also die Durchsetzung der sozialen Gemeinheiten gegen die Leut gelinge. Die Ausmalung verheerender materieller Konsequenzen des Ausschlusses von jedem Geldbezug wie Obdachlosigkeit, Verschuldung interessierten einzig unter dem Aspekt, ob man die Leute noch in der Hinsicht erreicht, wofür die Sanktionen eigentlich eingesetzt werden. Die Erpressungswirkung derselben gehe daneben, wenn sich die ins totale Elend Entlassenen gleich vollständig abmelden:

 „Der Kontakt zum Jobcenter wird teilweise abgebrochen; das Hilfssystem erreicht die Betroffenen nicht mehr“.

(DGB-Zeitschrift „Einblick“, Nr. 12/2019, S. 7)

Dass die Betroffenen gleich ganz abtauchen, damit dürfte der Staat in dem Sinn kein Problem haben, dass dieser in der Weise für ihn unnütze Unterhaltskosten los geworden ist. Allenfalls vom ordnungsrechtlichen Standpunkt her sieht er dies kritisch, wenn damit Kriminalitätskarrieren einhergehen.

Wenn nach BVG-Urteil nur noch 30 Prozent Geldkürzung zulässig sei wegen außergewöhnlicher Härte, so ins Existenzminimus eingegriffen würde, dann geht auch für Sozialfürsorgliche wie Gewerkschaften in Ordnung, dass erstens die Minderbemittelten mit Elendsbesoldung namens „menschenwürdiges Existenzminimum“ jedenfalls nicht schlecht bedient seien, wenn auch die Regelbedarfe auf „Kante genäht“(ebd.) seien.

Zweitens geht in Ordnung, wie die erwerbslosen Abhängigen darauf getrimmt werden, sich dem zu stellen, was ihre einzige trostlose Perspektive ist, nämlich sich genauso trostlosen Bedingungen des Lohnerwerbs zu stellen, bei denen sie noch lange nicht in der Hand haben, ob die Geschäftstüchtigen der Nation sie benutzen wollen. Die sich derart darstellenden Härten eines in Hartz-IV Eingehaustem nehmen die Gewerkschaften und andere Sozialstaatsfreunde gar nicht erst als diese. Eher reden sie beschönigend daher, was man angeblich alles an „menschenwürdigem System der Förderung und Unterstützung“ (ebd.) kreieren könnte, dass es gar nichts so sehr wie ein Diensterweis für die Elenden aussieht, sondern für Höheres gut ist, nämlich deutscher Nation gut täte: „echter Beitrag für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“(ebd.).