26.11.20 – Bundestagsdebatte über Armenien-Aserbaidschan
Ein aktueller Kriegsschauplatz gibt mal wieder das Lehrmaterial ab dafür, wie sich weltweit für zuständig erklärte EU-Imperialisten ticken
Könnte man der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Armenien und Aserbaidschan um einen Flecken Berg-Karabach entnehmen, wie es keineswegs ausgestorben ist, dass Staaten um ihr heiligstes Gut Souveränität wegen ihr Militär samt Völker gegeneinander aufhetzen, vernimmt man dagegen aus dem politischen Zentrum Europas als erstes das heuchlerische Bedauern über Tausende von Toten, deren Herstellung allerdings offenbar für die Kriegsparteien unabdingbar ist für ihre nationale Durchsetzung gegen den Kontrahenten.
Die EUler aus deutschen Landen hängen dagegen an jeder kriegerischen Affäre, die fern ihrer globalen Rechnungen sich abspielt, gegen die Intentionen der Kriegsbeteiligen, dass es eigentlich dieses Sprechens der Waffen nicht bräuchte: denn jeder Konflikt sei friedlich-diplomatischer Regelung zugänglich – als ob nicht gerade wegen des Aufkommens grundsätzlicher Unverträglichkeit nationaler Belange jedem Staat geläufig ist, deswegen vorsorglich sich ein Militär zuzulegen und einsatzbereit zu halten.
Sich als friedlichen Schiedsrichter aufzuspielen, ist andererseits die Methode, überall mitzumischen und Zuständigkeiten anzumelden: die bedauerten Toten sind gemeinerweise die Berufungsinstanz, imperialistische Mitsprache im Kaukasus geltend zu machen.
Wenn in der Debatte moniert wurde, die EU dürfe nicht nur reagieren im Falle solcher weltpolitischen Konflikte, sondern müsse „proaktiv“ werden, wird einerseits ein weitergehender Anspruch aufs imperialistische Mitmischen formuliert, der andererseits von einer Verlegenheit kündet: nämlich nicht über die überlegenen Machtmittel zu verfügen, diesen auch einzulösen.
Aber einige Frechheiten nehmen sie sich gleichwohl heraus: der Kaukasus wird nämlich von einer anderen Weltmacht, den Russen, als Einflussgebiet reklamiert. Mit welchen machtpolitischen Mitteln die es auch hinbekommen haben, dass die Kriegsparteien sich per Waffenstillstand einstweilen zurücknehmen: die EU klinkt sich gegen die von den Russen beanspruchte Regelungskompetenz auf deren Grundlage ein, um eigene „Gestaltunginteressen“ im Verhältnis zu Armenien und Aserbaidschan unterzubringen.
Bemerkenswert war übrigens eine Übereinstimmung von Die Linke und der rechten AfD in der Verurteilung der Türkei, die auf Seiten Aserbaidschans ihre regionalen Interessen verficht– und gleichlautend verlangten, dass die EU die Türken in die Schranken zu weisen habe; denn autonome Regionalpolitik sei denen nicht gestattet, stattdessen Unterordnung unter die jeweilige weltpolitische Räson des europäischen Blocks verlangt. Den Etablierten sind die Alleingänge der Türkei nicht nur im Kaukasus ein Dorn im Auge, weil deren eigennationale Kalkulationen auch noch als NATO-Mitglied u.U. denen der EU in die Quere kommen.