Wenn eine weissrussische
Oppositionsführerin aufrührerisch gegen einen angeblichen Diktator
Lukaschenko per Wahl gegen letzteren antritt, dann mögen hier
Vorstellungen irgendeiner Sorte besseren Regierens in Absetzung
überhaupt vom bisherigen herrschaftlichen Regime im Raum stehen.
Wahldurchführung und -ergebnis nimmt die Opposition als Zeichen,
Bestätigung eines grundsätzlicheren, allerdings auf national
sich buchstabierenden Misstrauens gegen die Formen
selbstherrlichen Regierens unter dem bisherigen Staatschef. Dieser
Fehler, sich für alternatives Herrschen in Weissrussland
einzusetzen, ist das eine. Das ist mitnichten ein Gesichtspunkt,
das weissrussische Volk gescheit zu agitieren, dass Herrschaft
diesem so oder so prinzipiell nicht gut bekommt, wenn eine
national(istisch) beseelte Opposition sich aufmacht - erst recht
nicht, wenn andere Nationen mal wieder dabei sind, 'unruhige'
Zeiten in einem Land gemäß ihren Absichten auszuschlachten. Denn:
Das andere ist, wie sogleich fremde
Mächte sich an einem landeseigenen Machtkampf dranhängen und eine
Gelegenheit wittern, ihre Lesart von Unvereinbarkeit
weissrussischer Machtausübung mit "europäischen Werten" und so'n
Zeug anzubringen und praktisch in Anschlag zu bringen mit ihren
bewährten Sanktionskatalogen. Die nehmen nämlich Belarus
unter dem Gesichtspunkt von dessen Unterordnung und Willfährigkeit
gegenüber imperialistischen EU-Interessen im Osten ins Visier.
Nach der Herausbrechung der Ukraine
aus dem unmittelbaren Einflussbereichs Russlands machen sich die
EU-Freiheitshelden auf, mit der angepeilten Beendigung der
"letzten Diktatur" in Europa einen weiteren letzten verbündeten
Staat aus dessen Vorfeld oder Hinterhof zu entreißen und damit
Russland fortgesetzt machtpolitisch zu dezimieren.
Nachtrag - 18.08.20
Die
belarussische Führung weiß sich offenbar als einzig rechtmäßige
Verkörperung des Nationalinteresses auf weißrussisch. Eine
eingespielte 'Arbeitsteilung' von Regierung und Opposition ist
nicht vorgesehen. Opposition gerät eher in den Verdacht des
Vaterlandsverrats (festzumachen an der Stereotype des Lukaschenko
und seiner Gefolgsleute, bei seinen organisierten Kritikern liege
eine Steuerung vom Ausland vor). Kommt deswegen eine
Renovierung des Herrschaftsapparates i. S. demokratischer Ideale
dem Volk bekömmlicher?
Denn die sagenhafte weißrussische Opposition legt sich nicht mit
einem der Herrschaftszwecke unter Lukaschenko an, wenn
lt. Nachrichtenagenturen v. 18.8.20 nach der Erledigung des
Wahlgangs darüber, dass der weißrussische Polit-Fürst sich zum
unbestrittenen Sieger erklärt, die Kritiker per Initiierung eines
sog. Koordinierungsrats eine "friedliche Machtübergabe"
organisieren wollen. An wen wohl? Diese Oppositionellen treibt
offenbar die gleiche Selbstgewissheit, dass ihnen die
Macht übers Land zustünde statt dem antiquierten Führer, den
politisch schon längst das Zeitliche gesegnet gehöre. Der Vorwurf
des "Wahlbetrugs" ist der billigste und nationalistische
Einwand dazu: die Berechtigung zum Kommandieren des belarussischen
Volks gebühre nicht der Ausgeburt von selbstherrlichem Regieren,
sondern der sich zur Präsidentschaftsanwärterin proklamierten
Tichanowskaja.
Nachtrag - 19.08.20
Inzwischen hat sich eine regelrechte
Kollaboration von Opposition und (EU-)Ausland angebahnt: Erstere
ersucht um ausländische Unterstützung, die derzeit Regierenden aus
dem Sattel zu heben - und die EU-Imperialisten sekundieren. Die
Nicht-Anerkennung des Wahlergebnisses mit Bestätigung Lukaschenkos
fortgesetzter Präsidentschaft ist offener Affront gegen ein ganzes
Staatswesen, dem entsprechend Nachdruck verschafft wird durch
praktische auswärtige Eingriffe in Form des bewährten
EU-Sanktionsregimes. Von wegen lt. Merkel liege keine ausländische
Einmischung vor: das unverfänglich Daherkommende, dass man 'bloß'
das fordere, was die belarussische Opposition 'legitimerweise' zum
Programm mache, lügt weg, dass es schließlich ein fremde Macht
ist, die sich gegen das weißrussische Regime ausspricht und die EU
ihre diplomatischen, finanzpolitischen und wirtschaftlichen Waffen
in Anschlag bringt, um Belarus unter Druck zu setzen - und zwar im
Sinne ganz eigener machtpolitischer Kalküle, wofür die EU die
Opposition als ihre Manövriermasse ausnutzt. Insofern weist die
Anrufung des Auslands durch die Opposition zu deren Unterstützung
einerseits dass Gemeine aus, ausgerechnet sich des Imperialismus
mit dem Wissen um dessen Gewaltpotential und der zerstörerischen
Weiterungen gegen Drittstaaten (Russland!) zu versichern.
Andererseits täuschen sich die Lukaschenko-Gegner in ihrer
nationalistischen Borniertheit, das Ausland zum Helfershelfer für
die Durchsetzung ihrer nationalen Anliegen machen zu
wollen: letztere sind ein Hebel des Imperialismus, dessen
Ansprüche gen Ost-Europa nicht unbedingt damit identisch.