Tages-Politik - Analyse und Kritik

 
 










 

30.03.23 – Zu den Rentenprotesten in Frankreich:


Protest an einer Stelle der Existenzbestreitung ganz in Abhängigkeit
davon, was der Staat auf Grundlage verstaatlichter Lohnteile den Leuten
im Alter an Lebensunterhalt zugesteht - und: Rentneralimentierung ist
ein Abkömmling davon ist, wie der Staat die Lohnarbeiterarmut im aktiven
Arbeitsleben in Haft nimmt für das Leben nach dem Arbeitsleben (wäre
da die Kritik an Lohnarbeiterarmut, Jahrzehnte vor der Verrentung nicht gescheiter?)

 

An der Rentenpolitik nicht erst in Frankreich könnte einem auffallen, dass das Leben nach dem Arbeitsleben so eingerichtet ist, dass dies ziemlich einseitig daran hängt, was und wie der Staat den endgültig aus dem Erwerbslosen Ausgeschiedenen an Existenzmitteln zugesteht. Man steht hier also ziemlich auf verlorenem Posten, dem Staat an der Stelle was abzuringen: es ist schlicht eine Frage hoheitlicher Gnädigkeit, was er seinem arbeitssamen Volk am Lebensende materiell zukommen lässt. Zudem setzt staatliche Rentenpolitik auf die mit der vom bürgerlichen Staat lizensierten Lohnarbeit notwendig einhergehende Armut auf: die Bezahlung als Lohnarbeiter ist eine nach Maßgabe der Nützlichkeit für die Beibringung von Gelderträgen für Kapitaleigner, die deswegen möglichst wenig Arbeitsentgelt rausrücken und für dies Wenige maximale Leistung einfordern. Rentenpolitik ist die Gemeinheit, die Arbeiterschaft und deren billige Abspeisung im Erwerbsleben dafür haftbar zu machen, was sich materiell im Alter überhaupt tut (wo der karge Lohn völlig untauglich dafür ist, auch noch ein Existenz nach Erwerbsarbeit zu bestreiten): über die Abzwackung von Rentenbeiträgen und der administrativen Festlegung, wer zu welchen Bedingungen ein Altersgeld erwarten kann. Auf die Armut im Arbeitsleben folgt die im Ruhestand - und zwar noch einiges erklecklich darunter, was man als Arbeitsentgelt gewohnt war. Von daher drängt sich der Schluss auf: wäre nicht die Benutzung als billiges Arbeitsmaterial in aktiver Lebensphase nicht eher ein Einspruch wert, als erst zu den staatlich verabreichten Lebensbedingungen ausgerechnet fast zum Lebensende einen Protest anzumelden, die eben ein einziger Akt gnädiger Gewährung durch des Staates Rentenanstalten sind?

Ein Weiteres kommt hin: auch in Frankreich wird das Soziale als Manövriermasse für die nationalökonomische Geltung der Nation behandelt, also als Kosten, die letztere nicht vertragen würde. Also die Zuweisung von Existenzberechtigungen im Alter oder Überlebensmitteln im Falle von Erwerbslosigkeit und Krankheit als abhängige Größe davon, dass die Nation und ihrer Kapitalwirtschaft von ihrem ökonomischen Gewicht her in der Konkurrenz zu anderen Nationen und ihren Kapitalen was hermachen. Aufschlussreich ist diesbezüglich eine Auskunft einer Abgeordneten aus dem Regierungslager v. 22.3.23 nach Deutschlandradio: die Proteste hätten abgewiegelt werden können, wenn man die geplanten und mit aller Macht von Macron durchgeboxten Renteneinschnitte besser kommuniziert hätte; dies normalerweise die Unverfrorenheit, dass das, was die Herrschenden als Rechtfertigung für ihre Vorhaben vorbringen, ohne Wenn und Aber vom Volk zu schlucken ist, dieses absolut nicht reinzureden hat in die Regierungspraxis. Und bezeichnend ist, was da vorgebracht wurde: ohne jeden Schnörkel der herrschaftliche Zweck, der mit der Rentenreform verfolgt wird. Es handele sich nämlich gar nicht um eine Sozialreform im eigentlichen Sinne, sondern es ginge um die Verbesserung der staatlichen Verschuldungslage. Also rücken sie mit fürs Volk verheerenden Wahrheit raus, dass alles, was für es notwendiges Existenzmittel ist, sich daran zu relativieren hat, dass die französische Nation im nationalökonomischen Kräftemessen mit Ihresgleichen Bestand hat. Also haben die Franzosen nicht nur die 2 Jahre späteren Renteneintrittsalter hinzunehmen, damit der Macron-Staat wuchern kann mit neu aufgestellter ökonomischer Machtpotenz.

Und der Franzose an der Staatsspitze stellt mit einer bezeichnenden Rigorosität klar, wie ernst es dem mit seinem Regierungskurs ist, sich in der Konkurrenz der Nationen neu zu bewähren, aus ihr gestählt hervorzugehen: wo stünde Frankreich, wenn man dem Mopp auf der Straße nachgeben würde (so in einem landesweit ausgestrahlten Interview um den 22./23.03.23 herum); also Frankreich zuerst - und dafür haben die Untertanen mit der Kürzung ihrer Überlebensgelder geradezustehen. - Selbst die Arbeitsteilung zwischen den Staatsabteilungen, Regierung und Parlament, umgeht Macron gekonnt, in dem sein Rentenprojekt gar nicht erst das normale gesetzgeberische Verfahren durchläuft, sondern per Dekret umgehend umgesetzt wird.



Eine Fußnote zu einer verkehrten linken Sicht auf die Rentenproteste

Linke mit ihrer Kenntnis der kapitalistischen Bewirtschaftung der Arbeitskraft könnten es eigentlich besser wissen, als der normale Bürgerprotest in Frankreich bezeugt. Auf ihre links gestrickte Art kommen sie zum gleichen falschen Schluss, ausgerechnet zum Ende eines ausgiebig ausbeuterischen Arbeitslebens seinen Ärger rauszulassen, dass dies nach inzwischen französischem Dekret noch 2 Jahre länger so laufen soll als bislang.

"...Das Rentenalter wird von 62 auf 64 Jahre angehoben, und damit werden die Subalternen bis in ihre letzten Lebensjahre als Lohnsklaven:innen gehalten, die bis zu ihrem Tod ihre Arbeitskraft auf dem hart umkämpften Markt verkaufen müssen.
Aus einer Sicht existenzieller sozialer Rechte bedeutet dies, dass die herrschende Klasse Zeit, Leben und Arbeitskraft der Lohnempfänger:innen nutzt, um die Verwertung des investierten Kapitals so weit wie möglich zu steigern und sich gesellschaftliche Erträge privat anzueignen..."

Die Betonung soll hier auf Aussaugung der Arbeitskraft bis zum Lebensende liegen; also: wäre es nicht gescheiter, der Ausnutzung von "Zeit, Leben und Arbeitskraft der Lohnempfänger" weit vor dem Zeitpunkt in die Parade zu fahren als zum absehbaren Lebensende? - Und zudem gilt es eine staatliche und unternehmerische Kalkulation mit lohnarbeitendem Vermögen zu unterscheiden. Vom Unternehmensstandpunkt sind die Leute längst mit 60 oder früher ausgepowert und werden durch jüngeres, frischeres Ausbeutungsmaterial ersetzt. Natürlich: die Verlängerung des Zwangs zum Verkauf der Arbeitskraft ist zwar verfügt, die Unternehmen ziehen Ältere allerdings kaum mehr heran. Also ist hier die Krux, dass der französische Staat über die Verlängerung des Renteneintrittsaltes in erster Linie seine Rentenkasse entlasten will: wer nur noch in der Reservearmee verharrt, zu nichts mehr zu gebrauchen ist, hat dies eben mit entsprechenden Rentenabschlägen, niedrigeren Renten zu bezahlen.

Nachweis des Zitats:
https://www.demokratisch-links.de/category/regierung/rentenpolitik