Tages-Politik
- Analyse und Kritik
Bundesdeutsche
Gesundheitspolitik
ab 2002
Prinzipielles
zum nationalen Gesundheitswesen
Die
Untersuchung zur Gesundheitspolitik soll klären, welche politischen
und polit-ökonomischen Ziele der bürgerliche Staat mit seinem
marktwirtschaftlich ausgerichteten Gesundheitswesen unter hoheitlicher
Regie verfolgt, wie darin die Interessen von Patienten/Versicherten,
Ärzte und Apotheker, Krankenkassen und Medizinindustrie aufscheinen.
Anhand der größeren Gesundheitsreformen seit 2002
(GKV-Modernisierungsgesetz, Wettbewerbsverstärkungsgesetz) soll der
wiederholte Reformbedarf des Staates in Bezug auf seine
Gesundheitseinrichtungen unter dessen verschiedenartigen Zielsetzungen
beurteilt sowie die Folgen desselben für die Abhängigen erkundet
werden, die als auf Gesundheitsleistungen Angewiesene mit ihren
Beiträgen Ärzte- und Apothekerschaft sowie Pharmaindustrie einträglich
‚ernähren‘.
Das
bisherige Sozialsystem war im Wesentlichen gekennzeichnet von Erhebung
von Zwangssozialabgaben an der Quelle abhängiger Einkommensbezieher,
womit in Rechnung gestellt wird, dass die verdienten Einkommen derart
ärmlich ausfallen, dass sie es gar nicht zu leisten vermögen, für die
kapitalistischen Lebensrisiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit oder
endgültiger altersbedingter Ausgedientheit Vorsorge zu tragen.
Das auf
systematischen Verschleiß von Lohnarbeitern in den Produktionsstätten
des Kapitals ausgerichtete Gesundheitswesen, nämlich so, dass sich die
Massen wieder erneut den Stätten der Zerstörung ihrer Gesundheit
aussetzen können, wurde gemanagt über erkleckliche
Versicherungsbeiträge und deren Anpassung, steuerlichen Zuschüssen und
ebenso Restriktionen bei den Leistungen – worüber das Kunststück
fertiggebracht werden soll, so der einzelne Arme zur
Gesundheitsvorsorge nicht imstande ist, dies ausgerechnet über ein
Kollektiv lauter Armer zu bewerkstelligen sei.
Mit der
"Agenda 2010" hat sich der Blick der Politik auf ihr Sozialwesen
geändert:
Das Soziale gilt schon immer als leidige, aber unumgängliche
Voraussetzung für die kapitalistische Wirtschafterei; jetzt wird sein
Charakter als Abzug von den nationalen Erträgen betont.
Mit der
Deklarierung allen Sozialaufwandes als "Lohnnebenkosten", die für den
Staat eine entscheidende Kennung für den Erfolg in der weltweiten
Konkurrenz seien, erfolgt ein Angriff auf das, was nach bisher
geltendem Sozialstaatsverständnis als Bestandteil der Bewerkstelligung
eines Arbeiter- oder Angestelltenlebens einsortiert war. Das Soziale
wird jetzt als unzeitgemäße (Un-)Kost für Wirtschaft und Nation
gefasst, die radikal zu senken sei.
Und damit
ist der Wechsel getan: die einstige soziale Zuständigkeit für Armut
und Elend von der Politik wegzuverlagern und den Leuten die Gemeinheit
verabreicht, private Vorsorge zu betreiben und ein ganzes System von
Zuzahlungen/Eigenbeteiligungen neben den Zwangsbeiträgen aus dem
Nettoeinkommen zu bestreiten, was das beschränkte Einkommen eigentlich
gar nicht hergibt: genau dies war ja mal das Ausgängliche der
staatlich organisierten kollektiven Vorsorge der Klasse der Abhängigen
gegen die Lebensrisiken in einer Marktwirtschaft.
Zur
Einreihung in die gesundheitspolitischen Besonderheiten: die
Krankenkassen als die Verkörperung der Gesamtzahlungskraft der
Versicherten sind mit dem „Paradigmenwechsel“ unter der Agenda 2010
und nachfolgend in verschärfter Weise dazu befugt, gegen den
Versicherten den Befund des zu teuren Gutes Gesundheit durchzudrücken
in Gestalt von Zusatz-Geldleistungen und steten Ausschlüssen von
Leistungen aus ihrem Leistungskatalog sowie zu einem Ringen mit den
Leistungsanbietern, in Sachen Preise bei Medizinprodukten und
verschreibbare Medikamente sowie Therapien Kostensenkendes zu
bewirken. Die Verlaufsformen davon kommen bei der Thematisierung der
diversen Gesundheitsreformen zur Sprache.
Zugleich hat
der Staat die zu seinem Standpunkt akzeptabler Kostenlast
entgegenstehenden Interessen der Medizinindustrie im Auge, die mit
ihren Fortschritten samt Medizintechnik und Medikamenteninnovationen
den Großteil der Zahlungskraft okkupiert: mit Fest- und Höchstpreisen,
freien Preisen und Patentschutzregelungen und solchen zu
Qualitätsfragen versucht die Obrigkeit, den querliegenden Interessen
der Eindämmung der Gesundheitskosten und des Umsatz-/Gewinnstrebens
der Medizinwirtschaft ein Arrangement abzugewinnen. Gerade privat
aufzubringende Leistungen - nach dem Motto: wenn Dir Patient an Deiner
Gesundheit gelegen ist, dann steht es Dir offen, von der Krankenkasse
nicht mehr Erstattbares aus Deiner Privatgeldbörse unter Abwägung
gegen andere Lebensnotwendigkeiten zu leisten – hat der Staat als
Hebel entdeckt, seinen „Wachstumsmarkt“ Gesundheit trotz der
Restriktionen vom Kostenaspekt her zu befeuern.