Tages-Politik - Analyse und Kritik

 






























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Bundesdeutsche Gesundheitspolitik ab 2002 bis 2006


Gesundheitspolitische Maßnahmen insbesondere unter sog. GKV-Modernisierungsgesetz (2004)

 
Bereits vor der weitreichenden Gesundheitsreform ab 2007 mit dem Wettbewerbsverstärkungsgesetz und anderem wurde das Dogma von der zu hohen Finanzlast durch das Gesundheitswesen in gesetzliche Bestimmungen überführt.

Vor dem Hintergrund abnehmender Beitragszahler im Verhältnis zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen wurden ab 2002 zunächst verschiedene Sparmaßnahmen umgesetzt. – Zugleich sollte die Entlastung von den Arbeitskosten durch sog. „Beitragssatzsicherungsgesetz“ erfolgen : Fixierung der Beitragssätze für 2003 auf das Niveau von 2002.

Zu den Einparregelungen: Zur Abbremsung der Ausgabensteigerungen im Arzneimittelbereich wurde u.a. festgelegt: Herstellernachlass für festbetragsfreie Medikamente, die zu Lasten der Krankenkassen gingen. Unabhängig von solchen Abschlägen oder ergänzend dazu konnten Krankenkassen Rabatte direkt mit Herstellern vereinbaren. Ebenso wurden Großhandel und Apotheken mit 6 bis 10 Prozent der Arzneimittelpreise zur Einräumung von Nachlässen angehalten.

An den Regelungen wird man gewahr, wie der Staat widersprüchliche Gesichtspunkte gesundheitspolitisch auszutarieren sucht: Einerseits mit Beitragsstabilität bzw. –senkung der Kostenwirtschaftlichkeit seiner nationalen Ökonomie Rechnung tragen; das Gebot der Kostenreduzierungen bei den Leistungen heißt im Falle der skizzierten Arzneimittelpreisregulierung hoheitlichen Eingriff in die geschäftlichen Rechnungen der Gesundheitsanbieter, denen der Staat gerade eine tragende Rolle im Wachstumsmarkt Volksgesundheit zubilligt. Die Pharmaindustrie soll einen Beitrag zur Dämpfung der Gesundheitskosten leisten; zugleich soll dem Bereicherungsinteresse derselben nicht regelrecht in die Quere gekommen werden. – Zudem soll trotz Deckelung/Senkung der Beitrage die „Qualität“ der Versorgung hochgehalten werden, was dann u.a. so geregelt ist, dass der Versicherte/Patient sich dies einiges an Zusatzbelastung zurechnen lassen muss.

Zu der vermehrten finanziellen Inanspruchnahme der Patienten sei aufgeführt:

Zuzahlung zu verschreibungspflichtigen Arzneien von 10 Prozent, maximal 10 EUR. Für Arztbesuche pro Quartal: sog. Praxisgebühr von 10 EUR, die in späteren Jahren wieder abgeschafft wurde. Für Krankenhausaufenthalt: 10 EUR Zuzahlung je Tag, höchstens für 28 Tage.

Ab 2005 wurde zusätzlicher Beitrag von 0,9% von den Versicherten erhoben, wovon die Arbeitgeber befreit waren. Damit wurde die Abkehr von der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung eingeleitet. – Außerdem: Herausnahme nicht-verschreibungspflichtiger Medikamente aus der Leistungspflicht der Krankenkassen (nach § 34, SGB V).

Bei den Leistungskürzungen ergab sich u.a. Folgendes: das Sterbegeld, Entbindungsgeld und Sehhilfen für Erwachsene wurden gestrichen.

Auch an die Ärzteschaft, organisiert in kassenärztlicher Vereinigung, wurde herangetragen, ihren Beitrag zur Eindämmung der Gesundheitskosten zu leisten: Bisher wurden im Rahmen des sog. Sicherstellungsauftrags über Kollektivverträge zwischen Ärzteverbänden und Verbänden der Krankenkassen die Inhalte der vertragsärztlichen und stationären Versorgung festgeschrieben; dies sollte nun durchbrochen werden: mit Selektivverträgen, d.h. direkten Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Ärzten oder Versorgungszentren. Damit sollte wohl die Handlungsmacht der Kassenärztlichen Vereinigungen ausgebremst werden, im Gegenzug die der Krankenkassen ausgebaut werden, also deren Durchsetzungsvermögen bezüglich der Konditionen gegenüber den medizinischen Leistungserbringern gestärkt werden: ganz i.S. des politischen Auftrages, die Kostenwirksamkeit von Honorar-Regelungen bis hin zu Therapiefragen und Medikamentenverordnungen strikter unter Kontrolle zu kriegen.

Über sog. Hausarztmodelle sollte darauf hingewirkt werden, dass Patienten zuallererst einen Hausarzt aufsuchen und von diesem dann ggf. überwiesen werden an Fachärzte im Falle von ersterem festgestellter medizinischer Erforderlichkeit. Mit dieser Regelung wird allerdings der Eindruck erweckt, als ob es boß ein medizinisches Effizienzproblem wäre, dass die Diagnosen und anschließenden Therapien sinnvollerweise unter Haus- und Fachärzten abgestimmt sein sollten: Doppeluntersuchungen rühren erstmal daher, wie der staatliche Gesundheitsaufseher die Heilberufe als selbständiges Gewerbe eingerichtet hat, damit das ärztliche Interesse von einer geldwirtschaftlichen Warte aus institutionalisiert hat, nämlich alles Mögliche als abrechenbare Leistung geltend zu machen. Erst leistet der Staat Mehrfachuntersuchungen damit Vorschub und hinterher sieht er sich veranlasst, gegen das von ihm selbst ins Recht gesetzte Treiben der Mediziner gegenzusteuern. Dies macht er in Gestalt der Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gleich als regelrechte Einrichtung:

Mit den MVZ sollte auf Versorgung „aus einer Hand“ abgezielt werden, insofern es sich dabei um ein Zusammenwirken von medizinischen und nicht-medizinischen Heilberuflern handelt. Durch gemeinsame Anschaffung und Nutzung medizinischer Geräte konnten Investitionsaufwendungen und Betriebskosten eingespart werden im Vergleich zu mehreren Einzelanbietern.

Ohne hier ins Detail zu gehen, sollten zur Reduzierung der Gesundheitskosten noch folgende Instrumente greifen: sog. Budgets oder Arznei- und Heilmittelvereinbarungen der Träger der Selbstverwaltung und Richtgrößen (vorgegebene Geldwerte für Medikamente) u.a. zur Steuerung angeblich überteuerten Verschreibungsverhaltens der Ärzteschaft; Durchführung von Wirtschaftlichkeitsüberprüfungen bei Überschreitung der Richtgrößen.

Gegen Scheininnovationen, d.h. zur Sicherstellung echten Zusatznutzens bei neuen Medikamenten,  wurde ein eigenes Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit eingesetzt.

Die Verfügung von Höchstbeträgen für Patentgeschütztes und die Weiterentwicklung der Nutzenbewertung zur Kosten-Nutzen-Bewertung (wo es darum ging, ob der behauptete Zusatznutzens eines Präparats die Mehrkosten rechtfertigen würde) widerspiegelte die fortgesetzte Unzufriedenheit des obersten Gesundheitsaufsehers mit der Entwicklung der Gesundheitsaufwendungen.