Tages-Politik - Analyse und Kritik

 
 





























05.01.24 – Zur Blockadeaktion von Landwirten gegen Habeck:
      
Klarstellungen zum erlaubten und illegitimen Protest unter                   demokratischen Herrschaftsverhältnissen


ZDF-Text v. 5.1.24
Nach der Blockadeaktion, der Verhinderung des Verlassens einer Fähre aus dem Umfeld von Landwirten als Demonstration gegen geplante regierungsseitige Abschaffung u.a. von sog. Dieselvergütung habe die Staatsanwaltschaft Flensburg ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Nötigung eingeleitet.
Bauernverband distanziert sich von Blockade gegen Habeck. Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gingen gar nicht. Der Bauernverband wahre dagegen demokratische Gepflogenheiten.
Habeck sei beunruhigt über Aufheizung der Stimmung im Land. Er genieße qua Amt zwar Polizeischutz, viele andere nicht, die mit der Abwehr von Angriffen sich als "Helden und Heldinnen der Demokratie" erweisen würden (lt. DLF habe Habeck dies ausdrücklich auf die Polizei bezogen).
Landwirtschaftsminister spricht von Fanatikern, zu denen eine eindeutige Trennlinie zu ziehen sei.
Innenministerin Faeser weiß sofort: hier seien Trittbrettfahrer am Werk, die die Bauernproteste instrumentalisieren wollten.
 
Das war mal wieder eine eindeutige Klarstellung, wie die Äußerung von Unzufriedenheit in unserer schönen Demokratie zu gehen hat: als ohnmächtige Kundgabe, mit irgendwelchen für den betreffenden Berufszweig belastende Maßnahmen nicht einverstanden zu sein - was das Affirmative an sich hat, dass der Status als für die Nation und ihre Wirtschaft mehr oder weniger bedeutende Berufsgruppe/Geschäftssphäre ganz grundsätzlich in Ordnung geht und die Regierungseingriffe in die Bewirtschaftung des Agrarsektors höchstens vom Standpunkt tatsächlichen oder eingebildeten Gewichts des Geschäftsgegenstands zu bekritteln (siehe die Anspielung auf die Angewiesenheit der Nation auf den nationalen Nährstand, dessen Landwirtschaftsprodukte), wenn die wirtschaftliche Lage des Bauernstandes noch mehr stranguliert werde durch Rücknahme von staatlichen Vergünstigungen, wo die ohnehin dem Preisdruck durch die Nachfragemacht der Agrarkonzerne ausgesetzt sind.

Der Bauernverband bringt es auf den Punkt, was die demokratischen Gepflogenheiten in Sachen Protest einfordern: die explizite Absage an jede Sorte direkter Durchsetzung; der uneingeschränkten Handlungsfähigkeit der Regierenden dürfe keineswegs in die Quere gekommen werden. Was die Politik in Sachen Einschnitte für die Landwirtschaft beschließt, habe man sich keineswegs per Nötigung entgegenzustellen. Und in der Tat sieht die Politik ganz autonom ein, nicht etwa als Nachgeben gegenüber den Bauern und deren Vertreter, dass die Belastungen nicht so kommen sollen, wie ursprünglich geplant; offenbar, weil ihr geläufig ist, wie sehr die Kosten des Ararischen für Landwirte zu Buche schlagen, also auch der Konkurrenzsituation deutscher Landwirtschaft gleich global Rechnung getragen wird.

Ein Habeck kriegt sich gar nicht erst ein vor lauter Lob auf die Verteidiger der Demokratie, spricht: der absoluten Handlungsfreiheit der Herrschenden gegenüber dem Volk und darin geäußerter Unzufriedenheit, also Verteidigung gegen das Überschreiten des Gebots, sich friedlich, ohne praktische Folgen zu versammeln. Der Deutschlandfunk hat das mit den Helden der Demokratie gleich auf die Polizei bezogen, die an vorderster Front dafür sorgt, dass man als Protestler auf Ohnmacht festgelegt bleibt - damit ein unzweifelhaftes Bekenntnis, welche Gewalt, nämlich die im Namen der Verteidigung der Demokratie, einzig rechtens ist. Die Untersagung der Nötigung von Politikern ist der Freifahrtsschein für die einzig legitime Befugnis der Staatsagenten, verpflichtenden Ansagen ans Volk zu beschließen. Ein Staatshänger weiß, wie er mit seinem herrschaftlichen Programm Gegensätze im Volk aufrührt. Die interessieren nicht  als solche, sondern einzig unter dem Gesichtspunkt des freiheitlichen Agierens der Staatsmacht, was die verschiedenen Interessengruppen sich gefallen zu lassen haben - eine ganze Armada von uniformierten Gewalttätern ist da offenbar nötig, um als illegitim geltendes Aufbegehren in die Schranken zu weisen - in Ansehung der polzeilichen Abschreckungsmacht gar nicht erst auf derlei Ideen zu verfallen.

Ein Landwirtschaftsminister, der von Fanatikern mit Umsturzfantasien daherredet, oder eine Innenministerin, die vor extremistischen Trittbrettfahrer/Unterwanderern der Bauernproteste warnt, geben kund, wie braver Protest auszusehen habe: als konsequenzloses Hochhalten von Protestschildern der Politik unbehelligt ihren Gang gehen zu lassen - wenn dagegen CDU/CSUler die Bauerndemonstration für sich instrumentalisieren, nämlich als Konkurrenten um die politische Macht gegen die derzeit Regierenden austeilen, geht das völlig in Ordnung.

Da der Bauernverband an seinen Protesten mit dem Vorfahren von Landwirtschaftsmobilen festhalten, sich im Zuge dessen vorsorglich für ein paar Verkehrsstörungen entschuldigt, machen Demokratiefreunde von der Journalistenfront und andere den Übergang, ob nicht gerade dies auf die Ebene unfriedlichen Demonstrierens zu heben sei, also am besten Abstand zu nehmen sei von dem, wogegen man protestiere. Innenministerin Faeser stellt bei aller Zurschaustellung des Demonstrationsrechts die rechtliche Legitimität der Bauernaufstände mit dem Hinweis dessen infrage, dass hier Rechte anderer berührt seien, wenn die wegen Verkehrsstockungen nicht rechtzeitig ihren Lohnarbeiterpflichten oder anderen Pflichten nachkommen könnten.

So also geht lebendige Demokratie: die Politik auf Kosten der Bürger machen lassen, aber seine schlechte Meinung darüber als bloß ideellen Einspruch vor sich her tragen dürfen.