Als wichtigste öffentliche
Botschaft der Tarifeinigung zwischen GDL und Bahn wurde verkündet,
es herrsche jetzt mindestens 2 Jahre Friedenspflicht; die als
auffallend aufmüpfig gehandelte Lokführergewerkschaft gäbe
einstweilen Ruhe an der Streikfront. Dies ist nichts als
parteilichen Stellungen zu Tarifauseinandersetzungen geschuldet: es
interessiert nicht die Bohne, weshalb Arbeitnehmer- und
Unternehmerinteressen regelrecht aneinandergeraten, dass die
Vertretung der ersteren immer wieder neu sich gegen die
Verschlechterung der Lage der bei ihr Organisierten in Form von
Lohnverlusten und gesundheitlichen Verschleiß aufstellen muss, den
Beschäftigten beigebracht durch das Unternehmen und die
Profiterwirtschaftung eben auf Kosten der Eigentumslosen als
entscheidende Voraussetzung für das Verdienen eines
Lebensunterhalts. Die Hetze gegen die Arbeitskämpfe verdankt sich
der parteilichen Sicht derer, die als Nutzer öffentlicher
Verkehrsmittel unterwegs sind: nämlich als Kunde lässt man
sein Interesse am störungsfreien Transport mit der Bahn einseitig
raushängen - wo eben Null von Belang ist, wie Gewerkschaften darauf
verwiesen sind, gerade dem Geschäftsgegenstand der Bahn (das Hin-
und Herfahren aus beruflichen oder privaten Gründen oder die Nutzung
des Zugsverkehrs als Transportmittel durch Gewerbetreibende) in die
Quere zu kommen, um dem Tarifgegner was abringen zu können.
Die professionellen
Begutachter des Tarifabschlusses vermelden in Kenntnisnahme der
Bahnfreundlichkeit desselben gleichwohl die gemeine Diagnose, dass
das Gewerkschafts- und Arbeiterinteresse an weniger Arbeitszeit aus
der Zeit gefallen sei und die Bahn die Mehrkosten aufgrund des
Abschlusses in üblicher Manier abzuwälzen sucht: also im ersten Fall
die Klarstellung, dass das Unternehmensinteresse absolute Vorfahrt
habe und das Arbeitnehmerinteresse nichts als dem Arbeitseinsatz für
seine Ausnutzer zu gelten habe statt auf seine Notwendigkeiten Acht
zu geben; im zweiten Fall wird der GDL und Beschäftigte
reingerieben, auf Kosten der Bahnkunden sich Vorteile zu
verschaffen, was einzig Resultat der Kalkulation der Bahn mit
irgendwelchen Mehrkosten ist.
Betreffend des Tarifergebnisses Folgendes im Überblick:
Stufenweise Senkung der
Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden bis 2029, wo im Allgemeinen ab 2026
um je 1 Std. gekürzt wird bei gleichbleibendem Lohn. Es soll aber
die Wahlfreiheit geben, auch länger zu arbeiten, wofür Zuschlag von
2,7 Prozent Mehrverdienst möglich ist.
Laufzeit: 26 Monate.
Lohnerhöhung von ca. 400 in zwei Schritten.
Inflationsausgleichsprämie von ca. 3.000,- Eur.
Die allmähliche
Arbeitszeitverkürzung stellt offenbar in Rechnung, wie das
Unternehmen dieselbe sofort übersetzt als Kostenproblem, als
Belastung der Gewinnsituation. Es wird der Bahn also die Freiheit
eingeräumt, sukzessive ihre betrieblichen Rechnungen möglichst
profitförderlich angesichts der Arbeitszeitreduzierungen
entsprechend auszurichten. Und da weiß man doch längst, wie sich
Kapitalisten da schadlos halten: mehr Arbeitseinsatz in kürzerer
Zeit; ob und in welcher Weise Rationalisierungen durch Einsparung
bezahlter Arbeit zum Zuge kommen, mag in dem Spezialfall Deutsche
Bahn dahingestellt sein (die Anschaffung modernerer Loks und deren
Bedienung ist was anderes als die Einführung produktiverer
Maschinerie im Industriebetrieb, für deren Betreiben weniger
bezahlte Arbeitskräfte benötigt werden). Zudem macht sich die Bahn
zunutze, dass die Arbeitszeitverkürzung gar nicht als verbindliche
Maxime Einzug nimmt, sondern alternativ je nach Bedarf die
Beschäftigten auf Mehrarbeit mit Zuschlag von 2,7 Prozent
zurückgreifen können. Also auch diesbezüglich eher ein Sieg der
Bahnverantwortlichen: nämlich im Wissen darum, dass die in
Lohnarbeiterarmut Gehaltenen eher auf Mehrverdienst angewiesen sind,
erkauft sich die Bahn mit läppischem Lohnaufschlag die Leistungen
für ihre Gewinnrechnungen, wie sie diese kalkuliert. -
Nicht zuletzt hat das Bahnkapital mit seiner Preispolitik ein Hebel
an der Hand, die Mehrkosten aus dem Tarifabschluss den Kunden der
Bahn in Rechnung zu stellen - und perspektivisch ohne signifikante
Gewinneinbrüche darüber, dass die Arbeitszeit von 35 Std. nicht auf
einem Schlage fällig wird, sondern die stundenweise Abnahme der
Arbeitszeit pro Jahr unter Inanspruchnahme derselben durch lediglich
Teile der Belegschaft dafür geeignet ist, die
Ticketpreissteigerungen im Rahmen des Üblichen dessen zu halten, wie
von der bisherigen Preispolitik der Bahn her geläufig ist - auch
wenn professionelle Kenner des kapitalistischen Wirtschaftsgeschehen
gleich wittern, dass mehr Kunden auf andere Verkehrsmittel umsteigen
würden, wenn ihnen die erhöhten Bahnpreise nicht mehr geheuer seien.