Tages-Politik - Analyse und Kritik

 
 











 

10./11.02.21 - Seuchenpolitisches im Februar 2021:


Beschluss von Merkel und Ministerpräsidenten: statt Auf und Ab von Ein-

schränkungen und Lockerungen "Vorsicht mit Perspektive"


Beschlusslage u.a.: im Wesentlichen Aufrechterhaltung des Lockdowns bis 7. März; Friseure könnten unter Einhaltung "strenger Hygiene-Auflagen" zum 1.3 öffnen; die Handhabung von Schul- und Kitaöffnungen wird den Ländern überlassen; ab Inzidenzwert von 35 könne man über weitere Lockerungen wie Öffnung von Geschäften, Museen und Galerien reden.

Man erinnere sich: es hagelte noch vor kurzem Kritik von Seuchenmanagern, man habe angesichts erheblichen Infektionsanstiegs seit sog. Lockdown light oder überhaupt zu früh oder zu weit gelockert. Das sind dieselben, die dem Zirkel von Einschränkungen, Lockerungen und erneuten Einschränkungen je nach Infektionslage deswegen was abgewinnen können, weil sie sich von einem Virus so wenig wie möglich den kapitalistischen Standortbetrieb verhageln lassen wollen. Sie bemerken den Widerspruch, wie mit den jeweils angestandenen Entschränkungen die damit provozierten Schübe von Neuansteckungen einen Strich durch die Rechnung machen, ein Nebeneinander von Hochfahren des nationalen Lebens und Seuchenmanagement zu organisieren. Die Verlegung auf den Standpunkt, härteren Lockdown durchzuhalten, ist gar kein Abgehen von dem genannten Zirkel, sondern spekuliert auf ein verlässlicher kontrollierbares Maß in Bezug auf die Infektionslage, bevor man weitergehendere Lockerungsschritte wieder wagen könne. Oder: die Corona-Lage, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Mutationen mit mehrfachen Ansteckungspotential und damit der drohenden Heraufbeschwörung einer 3. Welle, gebiete es, vorerst die härteren Einschnitte in Kauf zu nehmen, bis man sich wieder mehr leisten könne in Sachen Zurückeroberung der bürgerlichen Freiheiten.

Bei vereinbarten Schul-/Kitaöffnungen und Friseurhandwerk setzen die Seuchenaufseher auf vermehrte, schärfere Instrumente der Viruseindämmung wie Schnelltests, vorgezogene Impfungen von Lehrern/Erziehern in Abweichung von sonst gültiger Impf-Priorisierung. War das nicht schon als die Absurdität bekannt, die da vorliegt: Das mit den Tests und Hygienevorschriften geht davon aus, dass diese neue Ausbrüche mit den vermehrten Kontakten nicht verhindern - auf deren rigide Reduzierung im privaten Bereich genau deswegen weiterhin bestanden wird. Es wird einfach drauf gespechtet, dass seuchenpolitische Vorsichtsmaßnahmen und 'behutsame' Öffnungsschritte es schon richten würden, Ausreißern in Sachen Neuinfektionen gegenzusteuern - ohne sich dessen sicher sein zu können. - Zudem: wenn Merkel durchblicken lässt, dass Lehrer und Erzieher schon berufsbedingt die Nähe v.a. zu Kindern nicht vermeiden können, so offenbart auch dies, wie in den Zeiten ohne Impfstoff im Rahmen des wie auch immer modifizierten Schul-/Kitabetriebs die Anfachung von Neuinfektionen darüber bekannt war, dass eben lt. Bundeskanzlerin Lehrer und Erzieher "keine Möglichkeit hätten, die notwendigen Abstände einzuhalten." Wegen letzterem soll nun vorgezogene Impfung die Waffe sein, wo schon wieder den Betreffenden einiges Risiko zugemutet wird: nach einschlägigen Hinweisen soll gar nicht sicher sein, dass man trotz Impfung den Virus nicht weitergeben könne.

Das jetzt der Inzidenzwert von 35 statt 50 maßgebend sein soll, trägt einerseits dem Gesichtspunkt der Unterordnung der Zurückdrängung des Virus unter den Standortbetrieb um dessen Normalisierung willen Rechnung, welcher dem Staat umso mehr einleuchtet, weil gleich mehrere Mutationen von Corona ihr Unwesen treiben, die die Verseuchung der Nation noch in ganz anderen Dimensionen heimzusuchen drohen. Von der seuchenpolitischen Absurdität und Gemeinheit nimmt es nichts weg: fortgesetztem Virusbefall einschließlich schwerer Verläufe und Todesfälle wird eine neue Maßzahl verpasst, unter der weitere Entschränkungen wie das Betreiben des Einzelhandels möglich seien. Im Falle vermehrter Ansteckungen meinen die Aufseher, diese angesichts niedrigeren Ausgangsniveaus verlässlicher in Griff zu kriegen. - Allerdings: sprunghafte, ausgedehnte Umkehrungen eines irgendwie akzeptablen Ansteckungsniveaus haben die Seuchenwächter gleichwohl auf der Agenda, sodass der Zirkel von neuerlichem Runterfahren und Hochfahren einstweilen nicht ausstirbt.

Ein Hamburger Bürgermeister und Kanzleramtsminister Braun geben das Abenteuerliche zu Protokoll, dass sie einerseits wissen, wie in anderen Ländern trotz 'vorsichtiger' Lockerungen im Nu sich exponentielles Wachstum bei den Ansteckungen einstellte. Nichtsdestotrotz wollen sie jetzt mit ihren kleineren Öffnungen herauskriegen, wie diese hierzulande wirkten - Wirkungen, die sie eben noch als Warnhinweis aus anderen Ländern kundgetan haben.


Epidemiologe/Physiker Brockmann vom RKI am 11.2.21 im Deutschlandfunk (Polit-Sendung 13-13 Uhr)
Dieser Experte für Extrapolation des Infektionsgeschehens, statt sich mit Anti-Virus-Maßnahmen am "Ist-Zustand" zu orientieren, ist zwar Befürworter restriktiverer Ausrichtung des Seuchenmanagement; der entscheidende epidemiologische Ansatz sei: sofort und schneller, pro-aktiv reagieren, wenn die Fallzahlen in die Höhe zu treiben drohen. Die Kleinigkeit und analoge Absurdität wie im Falle derjenigen mit den großzügigeren Inzidenzen geht für diesen Experten genauso in Ordnung: das sofortige, schnellere, proaktive Handeln gegen lokale oder sonstige Ausbrüche unterstellt die Umstände, die die politisch Zuständigen erst mal, wie auch immer begrenzt, zulassen, die das Hochschnellen der Infektionen auslösen.