Zum Streit um TAZ-Kolumne gegen Polizei(gewalt) v. 15.6.20:
Zum Fehler eine meinungsrechtlichen Auseinandersetzung
https://taz.de/Abschaffung-der-Polizei/!5689584:
"Abschaffung der Polizei
All cops are berufsunfähig
Falls die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus aber nicht: Was passiert dann mit all den Menschen, die heute bei der Polizei sind? ...
Ich hingegen frage mich: Wenn die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus jedoch nicht, in welche Branchen kann man Ex-Cops dann überhaupt noch reinlassen? Schließlich ist der Anteil an autoritären Persönlichkeiten und solchen mit Fascho-Mindset in dieser Berufsgruppe überdurchschnittlich hoch...
Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten."
Was die Kolumne als fiktives Bild in
Szene setzt, was mit der dt. Polizei wegen ihrer angeblichen
Tendenz zu Autoritärem und sogar Rechtsradikalem passieren
sollte, sie auf Müllhalde schicken, wo sie kein Unheil nach
TAZ-Definition mehr anrichten könnten (egal, ob da einem
Widersinn eines Kapitalismus ohne Hüter der
ordnungsrechtlichen Klammer um die mit diesem in die Welt
kommenden Klassengegensätze geglaubt wird: es kommt wohl auf
die Metapher dafür an, Polizei als unverbesserlich Behauptete
irgendwie zu "neutralisieren") steht in der Reihe dessen, was
die TAZ nicht zum ersten Mal in falscher Weise aufregt: die
behauptete Übergriffigkeit der Polizei im Sinne
unverhältnismäßigen Zugriffs auf Personen hat es ihr angetan.
Mit solchen Kennzeichnungen seilt sie sich ab von der
Bestimmung der staatimmanenten Grundlage desselben: Polizisten
sind von Staats wegen zu unmittelbarer Gewaltanwendung
Befugte, die nämlich als Repräsentanten der Staatsgewalt für
"Ordnung" i.S. der Verfolgung und Dingfestmachung von
möglichen und tatsächlichen Rechtsabweichlern sorgen sollen.
Die beklagten Übereifrigkeiten sind nichts für den
Polizeiberuf eigentlich sich nicht Geziemendes, sondern
entfalten sich gerade mit dessen Inbegriff als Inhaberschaft
direkter Gewaltausübung.
Der Geisteshaltung der Schreiberin
entsprechend wird gar nicht erst kritisiert, warum es
überhaupt eine Polizeitruppe braucht, wie nämlich dem
bürgerlichen Staat mit der konkurrenzlerischen Verfolgung von
Interessen, deren Unverträglichkeiten per Eigentumsordnung und
deren Beschränkung zum Wohle des Gesamtkapitalismus die
ständige Gesetzesübertretung geläufig ist. Genau deswegen hält
der Kommandeur der kapitalistischen Klassengesellschaft sich
eine Armee von Ordnungshütern, mit dem Nachgehen und im
Idealfall der Unterbindung von als Kriminelles Eingestuftes
letztlich die Untertanen dran zu "erinnern", dass ihr
Erfolgsweg der als unbescholtener Unternehmer oder
Lohnarbeiter zu sein hat - auch wenn im letzteren Fall der
materielle Misserfolg wegen der Privatmacht des Geldes in
Unternehmerhand eher die Regel ist. Im Falle eines Falles
werden Rechtsbrecher ihrer "gerechten" Strafe zugeführt - eine
Sorte Abschreckung dafür, dass sich unerlaubte Weisen der
Bereicherung nicht gehören würden, also Anpassung/Unterwerfung
unter die Rolle gefragt ist, die der Staat insbesondere für
die Eigentumslosen vorsieht: Eigentumslosigkeit verpflichtet
zum Dienst am Eigentum; dessen Verletzung oder auch die des
bescheidenen Besitzes anderer Lohnabhängiger wird eben
geahndet. So läuft die Bereithaltung der geballten Ordnungs-
und Rechtsmacht der bürgerlichen Hoheit auf die Sicherung der
kapitalistischen Verhältnisse hinaus, die den meisten das
Leben gerade schwer machen.
Dies und damit eine Absage als
allererstes an die ungemütlichen Zustände unter
kapitalistischer und staatlicher Regie ist mitnichten das
Ansinnen von TAZlern: Ihnen missfällt an Ordnungskräften eher,
aus welcher geistigen Verfassung heraus diese ihrem Metier
nachgehen: Autoritäres Gehabe bis rechtsradikale Gesinnung
begünstigen unangemessenes Draufhauen auf Verdächtige - wobei
ersteres mit der Funktion des Polizeiberufs zusammenfallen
dürfte; oder gibt es Inhaber von Gewalt ohne die eben nicht
gerade sanfte Autorisierung dazu?
Was den TAZlern und ihrer Kolumnistin
die harsche Reaktion des Bundesinnenministerium beschert,
kommt wohl daher, dass erstere von "überdurchschnittlichem"
Übermaß an polizeilicher Gewaltanwendung reden, damit der
Staat mit dem fehlenden Respekt gegenüber seinen ausführenden
Organen vor Ort Respektlosigkeit gleich auch ihm selbst
gegenüber wittert. Denn der gesteht allenfalls Einzelfälle zu,
wo über die Stränge geschlagen würde - was ggf.
rechtsstaatlich einwandfrei gerichtet werde; dass
"anlassloses" und "unverhältnismäßiges" Zuschlagen Ausgeburt
der generellen Berechtigung zu der
dem Polizeidienst einbeschriebenen Gewalt ist,
leugnet der Staatsvertreter Seehofer ebenfalls, wenn von
bloßen Auswüchsen dahergeredet wird.
Der Rechtsvertreter der Kolumnistin für
den Fall von Klageerhebungen gegen die Kolumne demonstriert
gekonnt die Borniertheit eines Denkens und seiner
Berufsausübung, wenn über die verhandelte Angelegenheit als
solche hinweggehend einzig der Gesichtspunkt der rechtlichen
Zulässigkeit von Meinungen zähle. Der Fehler, bezogen auf die
Polizei, statt sich staats- und kapitalismusimmanenten Gründe
für deren Gebaren zurechtzulegen, sich zu fragen, ob dies
durch Recht und Gesetz gedeckt sei, wurde oben schon
ausgeführt. Hier geht es um ein anderes Beispiel
rechtspolitischer Bornierung:
https://taz.de/Verteidigung-taz-Kolumne/!5696661:
"Das
Bundesverfassungsgericht hat in einer Vielzahl von
Entscheidungen, zuletzt am
19. Juni 2020, auf die erforderlichen Abwägungsprozesse
bei der strafrechtlichen
Sanktion von Meinungsäußerungen
hingewiesen. (Ein Anwalt wurde durch die Instanzgerichte
verurteilt, weil er über
einen Behördenvertreter
im Kampf um das Recht
geschrieben hatte, dessen Verhalten 'sehen wir
mittlerweile nur noch als
offenbar persönlich
bösartig,
hinterhältig,
amtsmissbräuchlich
und insgesamt asozial uns gegenüber an'“.)
Das BVerfG hat die Verurteilung aufgehoben –
1 BvR 362/18... " (ebd.)
Dies
ist ein Streit
nicht um die korrekte Charakterisierung von etwas, sondern was
als bloße
Äußerung
erlaubt
ist zwischen „herabsetzenden
Äußerungen“
im Sinne Verletzung der „persönlichen
Ehre“,
die nicht gestattet sei, und persönlichen
Zuschreibungen
im Kontext wohl eines so verstandenen gesellschaftlichen
Missstandes: Gerade das Beispiel mit dem Anwalt, der einen Behördenvertreter
mit
starken Worten wie „bösartig“,
„hinterhältig“,
„asozial“
traktierte, zeigt, um welche Sache es da auch immer ging, dass
diese gar nicht
von ihrem Grund und Zweck her begutachtet wird, sondern falsch
als Ausfluss
persönlicher
Charaktereigenschaften oder „Amtsverfehlungen“
gerügt
wird, also jeder Wahrheitsgehalt um die
Ecke gebracht wird, was die Machenschaften eines Behördenmenschen
mit
der objektiven Beschaffenheit seines Amts zu tun haben - sondern
einzig interessiert, ob verkehrte Etikettierungen in welchem
"Kontext" auch immer von der Meinungsfreiheit gedeckt seien.
Aufschlussreich sind dann noch die Reaktionen eines Presserates,
sowas wie ein freiwilliges Aufsichtsorgan über die Stilblüten
der schreibenden Zunft, also Handreichung für den Staat, dass
sich Ungebührliches, national Unverantwortliches nicht
verbreitet gehöre: die Kolumne begünstige ein "Klima", worüber
Angriffe auf die Polizei gefördert würden. Erstens läuft dies
auf die Freisprechung der Ordnungshüter hinaus; genau im Sinne
der Staatsauffassung, dass die Polizei trotz möglicher
"Auswüchse" in Schutz zu nehmen sei. Zweitens ist solches die
Ungeheuerlichkeit, eine wie auch immer geäußerte Distanz zur
Polizei sei schon der Übergang zur praktischen Tat - diesen
Schritt muss jemand erst mal kraft sich zu Eigen gemachter
Rechtfertigungsgründe selbst unternehmen, auch wenn die
Kolumne als Vorlage dafür dienen sollte. Es hat was von
Selbstzensur an sich: bloß nichts Kritisches über den
bürgerlichen Gewaltapparat verlauten lassen.